Das Semester ist bald zu Ende – und für manche Studenten auch ihr Studium. Wie sieht das Leben aus nach dem Abschluss aus? Weiter studieren? Arbeiten? Wie wäre es damit: ein Unternehmen gründen.
Die Villa Rigi in Zürich liegt idyllisch gleich unter dem Rigiblick mit Aussicht über der Stadt. Einst ein Herrenhaus, erfüllt die Villa mit ihren lichtdurchfluteten Räumen und einem Garten mittlerweile einen neuen Zweck: Sie wurde zu einem Hauptquartier für Jungunternehmer umfunktioniert. Fünf Unternehmen sind hier ansässig – eines davon ist ElectricFeel, ein junges Technologie-Startup der ETH Zürich, das im Bereich urbane Mobilität arbeitet.
Der Geschäftsführer Moritz Meenen empfängt uns recht frisch und voller Energie – und das, obwohl er gerade knapp zwei Monate lang sieben Tage die Woche durchgearbeitet hat. Seinen Humor hat Meenen auch noch nicht verloren: „Wenn man nur auf den Gehaltszettel schaut, dann ist die Gründung eines Jungunternehmens ungefähr das Dümmste, was man machen kann“, sagt er. Meenen betreibt ElectricFeel zusammen mit seinem Partner Pratik Mukerji. Warum sich die beiden 30-Jährigen den Stress antun, wird schnell klar: Sie glauben an die Sinnhaftigkeit ihrer Idee.
Mit einer Software will ElectricFeel städtische E-Bike-Mobilität intelligenter machen. Wenn Studenten zum Beispiel jeden Tag mit einem öffentlichen Elektrovelo vom Bahnhof an die Uni fahren möchten, stehen irgendwann alle Fahrräder an der Universität und keine mehr am Bahnhof. Sie müssen wieder umverteilt werden. Das geschieht in regelmässigen Abständen mit Transportfahrzeugen – momentan jedoch auf recht ineffiziente Art und Weise. Und hier kommt ElectricFeel ins Spiel: Mit ihrer Software berechnen sie eine optimale Umverteilung der Fahrräder in Echtzeit. Ihr System unterstützt bereits die Sharing Systeme von Mainz in Deutschland und Doha in Qatar.
Immer mehr junge Menschen in der Schweiz entscheiden sich am Anfang ihrer Karriere für die Gründung eines Unternehmens. Gemäss den Daten von Start Up Monitor, einer Schweizer Initiative zur Beobachtung der „Start Up“-Industrie, sind 33% der bei ihnen registrierten Unternehmer 30 Jahren alt oder jünger.
Beat Schillig feiert die jungen Gründer für ihre Wahl: „Man lernt deutlich mehr als in einem MBA und es macht mehr Spass,“ sagt der geschäftsführende Partner von Venture Kick. Dass Schillig so viel Enthusiasmus für die Nachwuchsunternehmer aufbringt, verwundert nicht. Schließlich hat seine Organisation seit 2007 insgesamt 309 vielversprechende Geschäftsideen finanziell unterstützt, darunter auch ElectricFeel.
„Der Vorteil einer Unternehmensgründung ist eindeutig, dass man an etwas arbeiten kann, bei dem man der eigene Chef ist,“ sagt Alan Frei, Leiter des Start Up-Zentrums der Universität Zürich. Doch die Investition von Zeit und Energie birgt ein gewisses finanzielles Risiko. Alan Frei geht davon aus, dass nur eins von zehn Jungunternehmen es schafft, sich am Markt zu behaupten. Dem Rest geht irgendwann das Geld aus. Nicht selten setzen Jungunternehmer dabei ihren Lebensunterhalt aufs Spiel.
Dieses Risiko versucht Konrad Graber zu minimieren. Graber ist Ständerat der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) für den Kanton Luzern. Er hat im März erwirkt, dass fortan mehr Geld aus den Pensionskassen in Jungunternehmen fliessen soll. „Wir müssen in der Schweiz davon wegkommen, von den Unternehmen stets 100 Prozent Sicherheit zu verlangen“, sagt Graber. „Hier wird Konkurs stigmatisiert, in den USA setzt man dabei jedoch bereits zum nächsten Sprung an.“ Graber möchte mit seinem Vorstoss erreichen, dass der Bundesrat einen privatwirtschaftlich organisierten „Zukunftsfonds“ anlegt, um in zukunftsgerichtete, innovationsfördernde Anlagen zu investieren.
Von der Europäischen Union in 2014 als „Innovativstes Land Europas“ gelobt, bietet die Schweiz bereits diverse Formen von Unterstützung für Jungunternehmer. „Es herrscht eine gute Unternehmerkultur und ein grosses Interesse an Venture Capital“, sagt Alexander Stoeckel, Geschäftspartner bei der Venture Capital-Gesellschaft B-to-V. „Wenn man ein gutes Konzept hat, gibt es dafür auch Kapital.” Und diese Unterstützung sei nicht gering.
Gemäss dem aktuellen „Swiss Venture Capital Report“ wurden in 2013 rund 400 Millionen investiert, die Hälfte davon in Jungunternehmen. Damit seien, so Stoeckel, die Kapitalinvestitionen pro Person in der Schweiz höher als in Deutschland. Auf Schwierigkeiten treffen Unternehmer allerdings, wenn es um die Folgefinanzierung ihrer Start Ups geht: „Ist der Bedarf grösserer Natur, also zwischen ein bis drei Millionen, ist das Kapitalangebot tatsächlich kleiner“, sagt Stoeckl.
Diese Sorgen kennen auch die Jungunternehmer in der Villa Rigi. Und trotzdem: „Ich könnte mir keinen besseren Job vorstellen“, beteuert Moritz Meenen von ElectricFeel. So schnell lassen sich die neuen Gründer nicht abschrecken.